Sie ist nur 13 Millimeter groß, sorgt aber seit 50 Millionen Jahren dafür, dass ein Drittel der Nahrungspflanzen bestäubt wird: die Honigbiene. Jetzt ist sie vom Aussterben bedroht. Parasiten wie die Varroamilbe und die Monokulturen auf dem Land lassen immer mehr Bienenvölker eingehen. Eine Überlebenschance hat sie nur noch in Städten wie Berlin und Hamburg, wo das Nahrungsangebot von Frühjahr bis Sommer durchgehend ist und Menschen sich für die Imkerei interessieren.
Solchen Menschen hilft Judith Heimann (44). Die Hälfte ihrer 30 Bienenvölker vermietet sie an Privat- und Geschäftskunden und zeigt, wie man die Bienenstöcke pflegt und wie man den Honig erntet. Tim Mälzer hat vier Bienenstöcke gemietet und sie auf das Dach seines Restaurants in St. Pauli gestellt. Er schätzt den besonderen Geschmack der Schanze und verkauft den Honig an interessierte Gäste. Wie Stadthonig schmeckt, lässt sich nie genau vorhersagen. Die Zahnärztin hat ihren Bienenstock direkt vor das Behandlungszimmer gestellt, um ihre Patienten abzulenken. Die zwei Besitzerinnen einer Fotoagentur wollten sich eigentlich beim Beobachten ihrer Bienen auf dem Dach von der Computerarbeit entspannen, jetzt müssen sie ihr Volk nach einem starken Befall der Varroamilbe erst wieder aufpäppeln. Der Geschäftsführer eines Schiffszulieferers hat Sorge, dass die Menschen immer mehr den Bezug zur Natur verlieren - er hat seiner Belegschaft den Bienenstock zu Weihnachten geschenkt.
Judith Heimann stößt auch immer wieder auf Vorurteile, dass die Bienen auf den Hausdächern in die Wohnungen fliegen und stechen könnten. Nicht jeder Vermieter lässt sich vom Gegenteil überzeugen.
Hinzu kommt das finanzielle Risiko: Stirbt ein Volk, trägt allein die Imkerin den Verlust. Wenn das Wetter nicht mitspielt, fällt auch ihre eigene Honigernte bescheiden aus. Bei Regen fliegen die
Bienen nicht und sammeln keinen Nektar. Je länger sie im Stock bleiben, umso anfälliger werden sie für Krankheiten. Doch Judith Heimann ist zuversichtlich. Das Frühjahr war in diesem Jahr nicht
komplett verregnet. Das Imkern ist in den letzten Jahren immer arbeitsintensiver geworden. Doch Aufhören kommt für sie nicht in Frage. "Imkern ist wie eine Sucht, und jedes Jahr wird sie ein
bisschen größer. Wenn das Bienenjahr zu Ende ist, bin ich erschöpft und auch ein bisschen traurig, aber dann freue ich mich schon auf den nächsten März, wenn es wieder
losgeht."